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Anhang: eine kurze Einfuehrung
ueber Differentialgeometrie, den realen Gauss und die Taetigkeit des Geometers
1. Kurven:
Ich gehe hier vom dreidimensionalen
Anschaungsraum aus. Eine Verallgemeinerung auf hoeherdimensionale Raeume
ist nicht schwierig. Eine Raumkurve ist eine Funktion p(t), wobei jedes
p(t) ein Punkt im Raum ist, also durch seine kartesischen Koordinaten x(t),
y(t) und z(t) beschrieben werden kann. Die Bogenlaenge einer Kurve wird
durch das Mass (die "Metrik") |p'(t)| bestimmt, d.h. sie ist gegeben durch
das Integral |p'(t)|dt zwischen Anfangs- und Endpunkt.
Die Kruemmung der Kurve im
Punkte t hat die Richtung von p''(t) und ist gegeben durch k(t)=|p'(t)
x p''(t)|/|p'(t)|**3 (x ist das Vektorprodukt). Man kann das Inverse 1/k(t)
als Kruemmungsradius desjenigen Kreises interpretieren, der sich im Punkte
p(t) an die Kurve anschmiegt. In "natuerlicher Parameterdarstellung" p(s)
mit s=Integral|p'(t)|dt gilt: k(t)=|p''(t)|.
2. Flaechen:
Flaechen sind Funktionen
der Form f(t1,t2), die im dreidimensionalen Raum aus drei kartesischen
Funktionen x(t1,t2), y(t1,t2) und z(t1,t2) bestehen. Die beiden Parameter
t1 und t2 lassen sich als Koordinaten einer gedachten Ebene auffassen.
Falls die Flaeche genuegend glatt (d.h. ohne singulaere Punkte) ist, kann
man an jedem Raumpunkt p(t1,t2) eine Tangentialebene definieren, die ein
Spezialfall fuer eine solche gedachte Ebene ist. Die Metrik auf der Flaeche
wird durch die sogenannte erste Fundamentalform festgelegt ds**2=g11*du**2+2*g12*du*dv+g22*dv**2,
wobei gij das Skalarprodukt der ersten Ableitungen von p nach ti bzw tj
sind, also gij(t1,t2)=dp/dti.dp/dtj und der Punkt fuer das Skalarprodukt
steht.
Flaechenkurven sind Kurven,
die ganz in der Flaeche verlaufen. Ihre Laenge wird durch die erste Fundamentalform
bestimmt; sie ist naemlich durch das Integral s=Integral wur(g11*t1'(t)**2
+2*g12*t1'(t)*t2'(t) +g22*t2'(t)**2)dt gegeben, wobei wur die Quadratwurzel
bezeichnet.
Es sei eine Flaechenkurve
in "natuerlicher Parameterdarstellung" p(s) (statt p(t)) gegeben (siehe
oben). Der Kruemmungsvektor p''(t) kann in einen Anteil innerhalb der Tangentialebene
und in einen senkrecht dazu zerlegt werden. Den Betrag des ersteren nennt
man geodaetische Kruemmung kg(t), den des letzteren die Normalkruemmung
kn(t). Kurven mit verschwindender geodaetischer Kruemmung (wie zum Beispiel
die Grosskreise auf einer Sphaere) heissen Geodaeten. Sie sind das Analogon
von Parallelen in der Ebene.
Wenn man alle moeglichen
Flaechenkurven variiert, die durch einen bestimmten Flaechenpunkt hindurchgehen,
variiert die Normalkruemmung mit. Die Richtungen, in denen die Normalkruemmung
ihr Maximum k1 bzw Minimum k2 annimmt, heissen Hauptkruemmungsrichtungen
der Flaeche im Punkt f(t1,t2). Es gilt: k1*k2=(L11*L22-L12**2)/(g11*g22-g12**2)
und: k1+k2=(L22*g11-2*L12*g12+L11*g22)/(g11*g22-g12**2), wobei Lij=n(t1,t2).d^2f(t1,t2)/dt1/dt2
und n der Normalenvektor im Punkt f(t1,t2) ist.
Die Summe (k1+k2)/2 heisst
mittlere Kruemmung H und das Produkt k1*k2 heisst Gauss'sche Kruemmung
K. Beide sind unabhaengig von der Parametrisierung der Flaeche durch Parameter
t1,t2. Nach dem Theorema Egregium von Gauss kann die Gauss'sche Kruemmung
darueberhinaus allein durch die Metrik gij und ihre Ableitungen ausgedrueckt
werden.
In einem gekruemmten Dreieck,
wie es Gauss vermessen hat, ist der Winkeldefekt alpha+beta+gamma-pi proportional
zum Integral der Gauss'schen Kruemmung ueber die Dreiecksflaeche. Im Fall
einer Sphaere reduziert sich dieses Theorem auf alpha+beta+gamma-pi=Dreiecksflaeche/r**2,
wobei r der Radius der Sphaere ist. Wenn, wie bei Gauss' Messungen, Dreiecksflaeche
und Winkeldefekt bekannt sind, kann man daraus r bestimmen.
3. Kruemmung eines Lichtstrahls
im Gravitationsfeld der Erde
Ein Lichtstrahl, der sich
ueber der Erdoberflaeche bewegt, wird durch verschiedene Effekte von seiner
geraden Bahn abgelenkt, zum Beispiel durch die Brechung des Lichtes in
der Erdathmosphaere, aber auch durch das Gravitationsfeld der Erde. Letzteres
ist - in sehr uebertriebener Weise in der beigefuegten Figur skizziert.
Darin ist r0 der Radius der Erde und r der Radius des asymptotischen Kreises,
den man an den gekruemmten Lichtstrahl zeichnen kann. W ist der Winkel,
um den der Lichtstrahl abgelenkt wird. Man kann ihn nach der allgemeinen
Relativitaetstheorie ausrechnen und erhaelt einen Wert von etwa 10**(-8)
Grad. Dazu gehoert ein Kreisradius von r=10**10 Metern. Fuer das von Gauss
bei seiner (fiktiven) Messung benutzte Dreieck zwischen Harz, Rhoen und
rheinischem Bergland, das sich ja nur ueber einen kleinen Teil der Erdkugel
erstreckt, ergibt sich daraus ein Winkeldefekt von grob 10**(-10) Grad.
Diese Genauigkeit haette er erreichen muessen, um den Effekt tatsaechlich
nachzuweisen.
4. Die hyperbolische Ebene
Das ist die Ebene, die von
Punkten (z,t) mit der Metrik (d.h. Definition des Abstandes d zum Nullpunkt)
d**2=t**2-z**2 gebildet wird. Sie ist eindeutig festgelegt, wenn man eine
konstante negative Gauss'sche Kruemmung voraussetzt. Durch Wahl geeigneter
Koordinaten kann man dort immer K=-1 erreichen. Zum Vergleich: die euklidische
Ebene hat K=0 und die Sphaere hat ebenfalls eine konstante Gauss'sche Kruemmung,
jedoch positiv K>0. Bei der Sphaere kann man durch Einfuehrung geeigneter
Koordinaten immer K=1 erreichen. Es gibt uebrigens auch in der euklidischen
Geometrie die Moeglickeit, in einem kleinen Teilgebiet einer Flaeche negative
Gauss'sche Kruemmung K<0 zu haben (jedoch nicht ueber die gesamte Flaeche
hinweg), und zwar auf Sattelflaechen.
Die euklidische Ebene erfuellt
das euklidische Parallelenaxiom: Zu einem gegebenen Punkt und einer gegebenen
Geraden gibt es nicht mehr als eine Gerade durch den gegebenen Punkt, die
zu der gegebenen Gerade parallel ist.
Die hyperbolische Ebene erfuellt
das hyperbolische Parallelenaxiom: Zu einem gegebenen Punkt und einer gegebenen
Gerade gibt es mehr als eine Gerade durch den gegebenen Punkt, die zu der
gegebenen Gerade parallel ist.
Die Gleichungen der hyperbolischen
Geometrie ergeben sich, indem man in den Formeln der euklidischen Geometrie
ueberall sinus und cosinus durch sinus hyperbolicus und cosinus hyperbolicus
ersetzt. Dieser Uebergang macht zum Beispiel aus gewoehnlichen, euklidischen
Rotationen Lorentztransformationen, also Drehungen zwischen Raum- und Zeit-koordinaten.
5. Die Taetigkeit des Geometers
Grundlage der Geodaesie war
frueher (und ist teilweise heute noch) die Triangulation. Dabei wird ein
Landstrich in kleinere und groessere Dreiecke unterteilt, und man beginnt
die Messungen mit den kleinen, absolut praezise vermessenen Triangeln,
um danach zu groesseren ueberzugehen, die mit den kleinen einen gemeinsamenen
Schenkel haben.
Das wichtigste Instrument
der Vermessungskunde war der Theodolit, der zur Bestimmung von horizontalen
und vertikalen Winkeln benutzt werden kann. Er besteht hauptsaechlich aus
einem Fernrohr mit Fadenkreuz und kann um zwei Achsen in jede raeumliche
Richtung gedreht werden. Die Stellwinkel sind mit einem Nonius auf zwei
Teilkreisen genau bestimmbar und eine exakt waagerechte Justierung erreicht
man mit Hilfe von Libellen.
Gauss Weiterentwicklung des
Theodolithen ist zusammen mit ihm selbst auf dem letzten 10 Mark Schein
der Bundesrepublik Deutschland abgebildet.
6. Der fiktive Gauss
Zeittafel:
7. Der reale Gauss
Die meisten Teile der Novelle
sind frei erfunden. Der reale Gauss war eine wesentlich robustere Natur
als der imaginaere. Er hat seine Hanna, mit der er uebrigens zwei Kinder
hatte, zwar durch fruehen Tod verloren und darunter unsaeglich gelitten,
das hielt ihn aber nicht davon ab, keine 5 Monate spaeter um die zweite
Ehefrau anzuhalten, mit der er noch einmal drei Kinder zeugte. Er war -
nicht nur als Wissenschaftler - ein Pragmatiker, der sich selten romantischen
Stimmungen ueberliess. Die zweite Ehe ist uebrigens wesentlich weniger
gluecklich gewesen als die erste, und mit den beiden Soehnen aus dieser
Verbindung hat Gauss sich ueberhaupt nicht verstanden.
Der reale Gauss hat zwar
die Konstruierbarkeit des regulaeren 17-Eck bewiesen, zur Entdeckung der
Ceres beigetragen und Geometrie und Zahlentheorie wie keiner vor oder nach
ihm befruchtet, er hat auch die Theorie der Flaechenkruemmung soweit entwickelt,
dass es Riemann und Einstein nicht schwerfiel, sie auf hoeherdimensionale
Strukturen zu verallgemeinern, doch der physikalische Nachweis der Konstanz
der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen beziehungsweise der
Kruemmung von Lichtstrahlen im Gravitationsfeld der Erde, die die Voraussetzung
fuer die spezielle beziehungsweise die allgemeine Relativitaetstheorie
sind, haette ihm niemals gelingen koennen. Die damals bei geodaetischen
Messungen erreichte Genauigkeit lag um viele Zehnerpotenzen zu niedrig.
Dass er solche Messungen im Harz vorhatte, wird unter seinen Bewunderern
noch heute oft kolportiert.
Aus dramaturgischen Gruenden
habe ich die Rolle des Genies Gauss uebertrieben. In Wahrheit ist der Einzelne,
ob er nun Gauss oder Einstein heisst, wenig im Vergleich zu der kollektiven
Anstrengung, die man Wissenschaft nennt.
Der reale Gauss hatte zwar
einen treuen Mitarbeiter und Knecht Weber, und einen Astronomen Harding,
den er sich zum Feind machte, nachdem er dessen Vorgesetzter wurde, es
gab aber keinen ausgepraegten Widerpart Haeussler und es ist nicht bekannt,
dass er jemals einem Menschen dermassen geschadet haette, wiewohl er -
besonders in der zweiten Lebenshaelfte (Gauss ist 78 Jahre alt geworden)
- im persoenlichen Umgang launisch, ja boesartig sein konnte.
Copyright: B. Lampe, 1998
e-mail:
Lampe.Bodo@web.de
1777
Geburt in Braunschweig
1795
Beweis der Konstruierbarkeit des regelmaessigen 17-Ecks
1796
Studium in Goettingen
1799
Rueckkehr nach Braunschweig
1803
Gauss lernt Hanna kennen, Heirat
1807
Direktor der Sternwarte Goettingen
1810
Gauss lernt Wilhelm Weber kennen
1813
Tod von Hanna Gauss
1817
Gauss' Ende