Nachtnotizen eines naiven Naturphilosophen

nebst einigen Einwänden des Dr Watson,
die Holmes energisch zurückweist

 

1.

Wenn ich nachts zu den Sternen blicke, überkommt mich ein Gefühl der Einsamkeit und des Ausgeliefertseins an ein dunkles, kaltes und herzloses Universum.

    ... und nur in zweiter Linie, bei den großen Sternbildern, eines von Nichtigkeit und Spottwenigkeit. Noch weniger beeindrucken mich die einzelnen Sterne, diese winzigen weißlichen Punkte, die da oben in undefinierter Entfernung weit verstreut herumhängen.


2.

Mein Universum ist 3-dimensional und ziemlich leer. Es ist sehr groß (im Vergleich zu mir) und scheint sich immer weiter auszudehnen, und wahrscheinlich kommt das von dem großen Knall am Anfang, der massenweise Materie ins All geschleudert hat.

    Seither sind ungefähr 1.3*10**10 Jahre vergangen. Solange hat die Evolution (des Universums und der Biologie) gebraucht, um mich und meine Biomoleküle hervorzubringen. Andere SORS in anderen Teilen des Universums könnten eher entstanden sein als ich, doch sie haben sich bisher nicht mit mir in Verbindung gesetzt.

    Viel dunkle (kaum wahrnehmbare) Materie irrt im Weltall herum (hauptsächlich Neutrinos). Doch selbst die Summe aller Materie ist nichts verglichen mit seinen gewaltigen Ausmaßen, so dass es nur schwach gekrümmt ist.

    Das ist mir genau so gleichgültig wie die folgende Behauptung:
    "The conjecture is that in a large ensemble of universes (a multiverse), most universes have very large values of the cosmological constant which render them uninhabitable; the value we observe is not the most probable one but is typical of that seen by the largest number of observers in the multiverse as a whole.
    The anthropic prediction of cosmological parameters in multiverses is tied up in the murky unresolved debates of quantum cosmology which describe the ensemble. In quantum theory one typically has statistical ensembles of states serving as germs of ensembles of universes.
    Note however, there are other explanations for the smallness of the cosmological constant than the anthropic principle. An exotic form of dark energy, a dynamical scalar field with properties controlled by an internal potential, could evolve in such a way as to adjust to give it a density comparable to the matter density today. Or perhaps a 'derivable' fundamental scale of physics exists, corresponding to a vacuum energy density which happens to be about the same as the current cosmic mean density.
    One way or another, the intrinsic global cosmological parameters are intimately connected with the large ratios (or 'hierarchy problem') of fundamental (i.e. particle) physics; but the nature of the connection is still not clear."


3.

Es ist nacht. Es ist Winter. Es ist kalt. Es ist klar. Ich stehe auf meiner gefrorenen Scholle und blicke nach oben, fixiere ein Stück dunkle Fläche zwischen den Sternen. Was ist 'dahinter', wie und wo ist das Ende der Welt?

    Wir können nur die Dinge sehen, die nicht weiter entfernt sind, als das Licht seit Anfang der Zeit (des Bigbang) von ihnen zu uns benötigt. Wir nehmen also das Universum nur bis zu einem gewissen Rand wahr ('Ereignishorizont'), welcher nicht einmal der Rand von Raum und Zeit ist. Über diesen Horizont hinaus können wir astronomische Wahrheit nur extrapolieren.

    Dahinter könnte alles mögliche sein, eine Betonwand zum Beispiel, oder es könnte abrupt das reine Nichts beginnen, jedoch ebenso die Fülle, wir werden es nie mit Sicherheit wissen. Ins 'dahinter' können wir nur hypothetisch unsere Erfahrungen (stetig oder fantasievoll, je nach Temperament) extrapolieren.

    Wir sind in der Rolle von Science Fiction Autoren oder Zukunftsforschern, die sich bei ihren Visionen meist an der bestehende Technik, an der bestehenden Erfahrungswelt orientieren, diese bis auf geringe Modifikationen linear extrapolieren, können also fragen nach endlicher/unendlicher Ausdehnung unseres Universums, Existenz weiterer Universen ähnlich dem unseren, raumzeitlich wo?

Die wahren Visionen orientieren sich nicht an der Realität. Doch wo sollen sie herkommen, da wir nur unsere Erfahrung haben?


4.

Unsere Gedanken sind schneller als Licht. In Gedanken können wir den Horizont hinter uns lassen, können uns VORSTELLEN, im einen Moment am einen und im nächsten am anderen Ende des Universums zu sein, wir können uns sogar Räume mit ganz anderen Eigenschaften vorstellen, die mit einer ganz anderen Art von Materie gefüllt sind.


5.

    "Assume the universe is closed. Then it must be finite and general relativity tells us that in such a finite universe, space is bent around like the surface of a ball, so that there is no outside to it in 3-dimensional space, and the question, what's on the other side, makes no sense."

Es gibt möglicherweise ein 'außerhalb', es gibt möglicherweise viele Raumzeiten (mit ganz anderen Eigenschaften als unsere), die in Bigbangs (oder auf ganz anderem Wege) entstanden sind. Dass wir durch astronomische Beobachtungen nicht an sie herankommen, weil sie außerhalb unseres Horizontes/Universums liegen, ändert nichts an der prinzipiellen Möglichkeit.

    "The size of the entire universe is at least 1023 times bigger than the size of the observable universe. This ratio is roughly equal to the ratio of the size of the observable universe to the planet Earth. The universe also exists among countless other universes with various different laws of physics. A fractal pattern exists in the multiverse system, which involves universes inside vacuums that are inside other universes. Each pocket universe created by inflation will appear flat to the observers within it. Meanwhile, new universes will fill in the gaps created by older ones, similar to Hoyle’s discredited steady-state theory. The big bang of the universe is actually similar to cell division in biology, since new universes are continuously formed. However, inflation always wipes out the circumstances of the beginning of the particular universe.

    A universe could be created in a laboratory, consistent with the laws of physics. Traditionally, one would need the energy of several galaxies, but inflation theory showed it is actually much easier to create a universe. All one needs is one ounce and false vacuum. Once false vacuum exists, the evolution of the universe is independent of what came before. Physicist Roger Penrose once stated that one would need negative energy to create a new universe, but Guth showed that it could also be made by quantum tunneling.

    The birth of a new universe also does not affect the old one. It would take about 10-37 seconds to disconnect from its parent. However, all an observer would see is the formation of a black hole, which would disappear very quickly. Creating a new universe actually would be quite dangerous since it would result in the release of energy similar to that of a 500 kiloton explosion."


6.

Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, dass die Welt VIEL größer ist als das , was wir von ihr wahrnehmen. Wir wissen aber nicht, ob sich ihr Charakter in diesem Außerhalb verändert.

    Funken, Blähungen, Plosionen in einem fremden Kontinuum. Sphären, die ineinander greifen. Immer wieder Blitze an den Schnittstellen. Neue Welten in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Gasförmig, flüssig, fest und weitere bisher unbekannte, geformt nach den Prinzipien der Statistik. Und aus der EINEN Kraft, von der alle anderen sich ableiten, stark und selbst bei extremen Temperaturen, durch den Urknall hindurch, noch Festigkeit verleihend (die Festigkeit des Kosmos); den Punkt definierend, und damit den Raum. Sie ist der harte Kern der Dinge und auch der flüchtigsten Elemente. Alles andere, von der Antimaterie über die Glühwürmchen bis zur Musik, sind Konklusionen, Exkrete. Wichtig erstens, weil sie unsere Welt ausmachen, und zweitens, weil zur EINEN Kraft ihre Fähigkeit gehört, in den unterschiedlichsten Erscheinungen sich zu manifestieren. Daher bevorzuge ich einen RELATIVEN Substanzbegriff, wo weder die Erscheinungen noch das (Raum)Kontinuum noch die Substanz einen Gegensatz bezeichnen, sondern zueinander gehören. Die Substanz als kompaktes, in ihrer Bedeutung zur Reduktion, zum Punkt Hinstrebendes konstituiert das Einzelne des Raumes. Dabei ist sie zugleich die Mittlerin zwischen den uns bekannten Erscheinungen und jenem fremden Kontinuum, von dem alles seinen Ausgang genommen hat. Sicher kann auch dieses Kontinuum in einem noch umfassenderen 'ALL' seinen Halt haben, wie umgekehrt die bekannten Teilchen in immer kleinere, elementarere sich auflösen - alle mit, wenn wir die experimentellen Möglichkeiten hätten, festen, genau bestimmbaren Qualitäten (Ladungen), so wie zum Beispiel die Quarks nichts Allgemeines, Letztgültiges im Nirvana bezeichnen, sondern auf der Gruppenstruktur der SU3 beruhen. Und vielleicht hat sogar die Möglichkeit einen präzise bestimmbaren Sinn, dass sich das beliebig Kleine und das beliebig Große irgendwo treffen und ineinander übergehen. Das Kleine und das Große müssten dazu eine gemeinsame, identische Qualität haben, auf die sie sich reduzieren lassen: die Substanz eben. Ich glaube also nicht, dass aufgrund momentan fehlender experimenteller Informationen oder der Möglichkeit des Zufalls oder nur, weil es dort keine Beobachter gibt, jedenfalls keine uns bekannten, die Frage, was (zeitlich und räumlich) jenseits unseres Universums ist, keinen Sinn hat. Es wird dort Urfelder geben mit einer Urdistinktion (Ladung), die sie von sich selber unterscheidet und der EINEN Kraft aussetzt. Je nachdem, wie die Plosionen und/oder Konzentrationsprozesse verlaufen, entstehen daraus die Qualitäten unserer realen Welt. Das heißt: der statistisch zufällige Verlauf der Plosion und Einbettung bestimmt die bekannten Naturgesetze (der Gravitation, starken und elektroschwachen Wechselwirkung). Man könnte sagen, dass durch den dahinter liegenden Vorgang, wieimmer er im Detail aussehen mag, Schnitte in ein rundes, qualitätsloses Ganzes gemacht wird. Und einer dieser Schnitte und die spezielle Art, wie Substanz und Raum ineinander verschränkt sind, definieren unsere Welt. Dass dies einer sein muss, in dem die Naturgesetze so beschaffen sind, dass sich intelligentes Leben entwickeln kann (anthropisches Prinzip), ist keine starke Einschränkung.

Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, dass jenes 'Draußen', von dem wir nicht unmittelbar Kenntnis haben, reich an unbekannten Phänomenen ist,
- dass diese Phänomene sich von den uns bekannten wesentlich unterscheiden,
- dass sie an und für sich (aber nicht für uns) EXISTENTIELL RELEVANTE Phänomene sind,
- die sich unserer Erkenntnis jedoch auf immer entziehen.

    Watson: Wir können zwar über Galaxien und andere physikalisch zugängliche Phänomene reflektieren, doch was 'vor' der Zeit war und 'außerhalb' des Raumes ist, sind rein spekulative (und wahrscheinlich falsch gestellte) Fragen. Daher weigere ich mich, über diese Ideen nachzudenken.

    Holmes: Aber dem Mathematiker erlaubst du auch, rein imaginäre Räume zu konstruieren.

    Watson: Dem Mathematiker ja, doch der erhebt keinen Anspruch auf Wahrheit, seine Arbeit ist nicht WIRKLICH bedeutsam, d.h. nicht für die Wirklichkeit bedeutsam.

    Holmes: Ist die Definition von i oder Wurzel2 nicht bedeutsam? Ist die Form unseres Verstandes (und wie wir die Welt mit ihm sehen) für irgend jemand bedeutsam außer für uns selbst?

    Watson: Ich habe nichts gegen mathematische Konstruktionen. Man sollte sie nur sauber von der Physik trennen.

    Holmes: Sieh es als eine Art Mathematik, die wir treiben, mit der vagen Hoffnung, über indirekte Effekte eines Tages doch zu einer realen Erkenntnis zu kommen.


7. Die Standard Spekulation

Unsere Raumzeit ist nur eine von vielen, die in einer namenlosen, unspezifizierten Unendlichkeit (oder im Nichts) sich tummeln und mit diesem zusammen das 'Multiversum' bilden. Sie können die unterschiedlichsten physikalischen Eigenschaften haben, abgeschlossen sein oder an den Rändern ausfransen und dort mit den anderen interferieren ...

... SO DASS GERADE AN IHREN RAENDERN MIT ABWEICHUNGEN VON DEN IM INNERN HERRSCHENDEN GESETZEN ZU RECHNEN IST. INFORMATIONEN UEBER SOLCHE ABWEICHUNGEN, DIE ASTRONOMEN VON DEN RAENDERN UNSERER RAUMZEIT SAMMELN, KOENNEN ALSO HINWEISE AUF DEN WAHRHEITSGEHALT DIESER SPEKULATION GEBEN, EBENSO WIE SUPERSCHWACHE EFFEKTE IN DER TEILCHENPHYSIK.


8.

Im Multiversum können wir uns die einzelnen Raumzeiten als 'Fasern' vorstellen, welche sich 'über' den Bigbangs gebildet haben. Die Bigbangs sind Punkte im übergeordneten Multiversum und zugleich die Keime der Raumzeiten.


Figur 1: Raumzeiten entstehen in diesem Bild wie die Blasen durch die Spur eines energiereichen 'Teilchens' in einer Blasenkammer, oder wie ein Blitzeinschlag. Man kann sich sogar vorstellen, diese Kammer steht in einem viel größeren All und eine fremde Lebensform beobachtet die Entstehung der Blitze und Blasen.
weiße Linie = energiereicher Impuls, das auslösende Moment der Bigbangs
rote Punkte auf der weißen Blitzeinschlagsbahn = Bigbangs
verschiedene Farben = Raumzeiten verschiedenen Typs (unterschiedliche Dimension und Naturgesetze)
hellblau = die sie umgebende Mannigfaltigkeit ('Blasenkammer' = das Multiversum) , von der wir nichts wissen können. Ob die Raumzeiten in die Kammer eingebettet sind oder als Fasern mit eigenen Freiheitsgraden an den roten Punkten hängen, ist ungewiss
schwarz = wovon wir garantiert nichts wissen

    "What do we know about the possibility of a multiverse? Nothing. All we can ever have direct knowledge about lies within our visible horizon, which encompasses a portion of the space that was produced at the big bang. Our particular universe can be defined as all the matter and energy that came out of the big bang which we see in our past. According to inflationary cosmology, our universe emerged from a patch of quantum instability in a larger ... something ... - There could be other patches(=universes). These could be strikingly different kinds of space and matter than what we see around us, but in the distant future, our expanding horizon will eventually reach them, so that we might be able to see them."

    Watson: Die Zukunft, in der wir jene Patches sehen werden, ist vom praktischen Standpunkt unendlich weit entfernt. Wir, und alle unsere Nachkommen, werden sie nicht erleben.
    Wenn, wie du sagst, die anderen Universen eine völlig andere Raumzeit- und Materie-struktur haben, werden sie niemals in direkten physikalischen Kontakt mit unserem Universum treten, auch nicht nach unendlich langer Zeit. Sie liegen im wahrsten Sinne auf der anderen Seite von Ewigkeit und Unendlichkeit.

    Holmes: Es gibt indirekte Effekte, die sich wahrnehmen lassen, entweder an den Rändern unseres Kosmos oder bei sehr kleinen Abständen, das heißt in superschwachen Effekten der Teilchenphysik.


9. Parallelwelten

    "What can one say about parallel universes? Absolutely nothing. Since there is no way to prove they exist, they are pure mathematical speculation outside what science can tell us by observation and experiment. There is no technical, reputable literature on such things."

Wenn wir die Möglichkeit weiterer und andersartiger Raumzeiten ins Auge fassen, müssen wir folgende Fälle unterscheiden:

  • 'Parallele Materie':
    Ladungen wechselwirken. Wahrnehmung erfolgt durch Wechselwirkung (von Ladungen) (mit Detektoren und Sinnesorganen). Es gibt Dinge, welche unserer Wahrnehmung entzogen sind, und möglicherweise gibt es Dinge, welche JEDER Wahrnehmung entzogen sind. Nicht alle Ladungen wechselwirken mit allen anderen. Möglicherweise gibt es also Materie, die wir nicht wahrnehmen können, weil sie nicht mit uns wechselwirkt. Sie existiert parallel zu uns, durchdringt uns, ohne dass wir es merken, und lebt im selben Raum wie wir, bildet jedoch eine völlig eigene Welt, die von unserer gänzlich getrennt ist.
  • 'Parallel-Universum im Multiversum':
    In der Vorstellung von Bild 1, wo sich Räume an verschiedenen Stellen in einem äußeren Etwas gebildet haben (sei es via Bigbang oder anderer Mechanismen), sind in einem weiteren Sinne all diese Raumzeiten 'parallel'.
  • 'Parallel-Universum' im engeren Sinn:
    Im Multiversum und den meisten seiner Fasern werden Längen anders gemessen als bei uns (wenn sie überhaupt gemessen werden können, es ist nicht ausgemacht, ob sich dort in sinnvoller Weise Längen definieren lassen). Nur wenn es einen entsprechenden ZUSAMMENHANG zwischen den Fasern gibt, lässt sich ein gemeinsam zu nutzender Begriff von Länge festlegen, und nur in diesem Fall kann man sagen, die andere Raumzeit(=Faser) ist so und so weit von unserer Raumzeit entfernt.
    Als Parallel-Universum im engeren Sinn würde man eine Faser bezeichnen, deren Abstand zu unserer Raumzeit (nahezu) gleich Null ist. Anschaulich, in Bild 1, wäre das ein Universum, welches sich in einem zweiten Bang nahe dem Ort, an dem unser Bigbang stattgefunden hat, gebildet hat, mit der Möglichkeit, dass es unser Universum teilweise durchdringt, wovon wir aber wegen fehlender Wechselwirkungen nichts wahrnehmen.
  • 'gekoppelte Parallelwelten':
    Dass zwei sich durchdringende (oder auch nicht sich durchdringende) Räume mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften und Freiheitsgraden miteinander wechselwirken, ist nicht ausgeschlossen, Modelle dafür lassen sich mathematisch konstruieren. Die Bewohner dieser Räume würden sich gegenseitig wahrnehmen können, wenn auch wahrscheinlich nur als superschwache Phänomene.

  • Paralleluniversen durch Quanteneffekte
    (da bei einer beliebigen Ausgangskonstellation aufgrund der Unschärferelation der nächstfolgende Zustand nicht eindeutig festgelegt ist,) halte ich aus Energie-erwägungen für extrem unwahrscheinlich


10.

    Watson: Wenn ich dir folge und also verschiedene Universen existieren, die womöglich als statistische Ensembles entstanden sind, ist es kaum vorstellbar, dass die speziellen Gesetze, die in unserem eigenen herrschen, eine besondere und aus höheren Prinzipien herzuleitende Form haben, der Wert der Lichtgeschwindigkeit etwa wäre nicht tiefer erklärbar, außer durch das 'ANTHROPISCHE PRINZIP':
    "We will ultimately find that the constants of nature are what they are out of an infinite number of possibilities, because only these lead to us to a lifeform who can ask the questions in the first place. Of all the equations we create to describe the universe, ultimately we have to fix the 'boundary conditions' and we are in essence a part of those boundary conditions for this specific universe."

Ich zweifle an diesem populären Argument. Es gibt wahrscheinlich GANZ ANDERE intelligente Lebensformen, denen es überhaupt nichts ausmacht, in einer noch so bizarren Raumzeit zu existieren. - Die Frage ist doch, welche Art von Räumen im Multiversum entstehen und existieren können. Es ist evident, dass die Struktur dieser Räume nicht zufällig und beliebig ist, sondern sich aus der 'Physik' des Multiversums ergibt. Zumindest könnte einer, der diese Physik kennt, die Beliebigkeit einschränken (in statistischen Ensembles von Raumzeiten wären dies Einschränkungen an die Mittelwerte), so dass auch die Naturkonstanten unserer eigenen Raumzeit alles andere als beliebig und zufällig sind.


11. UEBER ALLEM STEHT GOTT

Vor lauter Redseligkeit und wohlfeilen Spekulationen haben wir die Frage, wie es am äußersten Rand von ALLEM aussehen könnte, nur verschoben, die Frage nämlich, gibt es eine echte Grenze, ein WAHRES Unendlich, und wie sieht es aus?

    Könnten sich, zum Beispiel, die Grenzen des großen und kleinen berühren?


12. Die kleinsten Bauteile der Welt

Die Welt besteht aus ziemlich kleinen Bausteinen, das ist bekannt. Nicht bekannt ist, ob sie
i)die kleinsten sind, ob es
ii)kleinere und darunter sogar
iii)kleinste Bausteine gibt oder
iv)alles im Nirwana eines großen Urgeklingels verschwindet.

Selbst wenn man iii für wahr annimmt, ist es eher unwahrscheinlich, dass Menschen sie je 'wahrnehmen' werden, da es keine theoretische Grenze für ihre Kleinheit gibt.

    Selbst die Planckskala 10**(-35) cm definiert keine prinzipielle Grenze.

Man wird sich zu kleineren Strukturen vortasten, aber nie sicher sein, ob diese die kleinsten sind. Hierin liegt notwendig eine Beschränktheit des Wissens, die jener bei großen Abständen korrespondiert.


Figur 3: Unser Wissen von der Welt in Abhängigkeit vom Abstand. Bei mittleren Abständen (von der Größenordnung 1 Meter) ist es am größten. Die sehr kleinen (teilchenphysikalischen) und sehr großen (kosmologischen) Abstände sind für unsere Erfahrungsrealität ohne Belang.


13.

WATSON: Das letztlich FUER UNS tragfähige Fundament der Materie ist ihre makroskopische Form, die Form, die wir kennen.

    "Menschen sind eindrucksfähig. Unser Verstand wird durch Glücksfälle oder Enttäuschungen wie von Nebel getrübt, dessen Wirkung wir uns durchaus nicht widersetzen, sondern bereitwillig annehmen, und die fatalen Urteile, die wir auf dieser Basis fällen, umso vehementer verteidigen. Denn wir sind keine Mathematiker und unsere Urteile keine Theoreme, sondern vegetative Nervensysteme, an denen das Gehirn wie ein Wurmfortsatz befestigt ist, einzig zu dem Zweck, uns mit wertlosen Argumenten unsere Illusionen zu erhalten.

    Wir wissen, dass sich das Leben ebenso in die unendlichen Weiten des Raumes wie in die Engen der Atomwelt verliert, aber dazwischen behandeln wir eine Schicht von Gebilden und Vorstellungen als die Dinge der Welt, ohne uns im geringsten von der Subjektivität dieser Eindrücke anfechten zu lassen. Ein solches Verhalten liegt beträchtlich unter der Höhe unseres Verstandes, aber gerade das beweist, wie stark der Instinkt daran teilhat. Und in der Tat, die wichtigsten geistigen Vorkehrungen des Menschen dienen der Erhaltung eines befriedeten Gemütszustandes, und alle Gefühle, alle Leidenschaften der Welt sind ein Nichts gegenüber der ungeheuren wenn auch unbewussten Anstrengung, welche wir unternehmen, um unsere Gemütsruhe gegen unsere Intelligenz zu verteidigen.

    Diese Verblendung erweist sich bei genauerem Hinsehen als ein äußerst künstlicher Bewusstseinszustand, der dem Menschen erlaubt, über dem Abgrund und im Bewusstsein der ungeheuerlichsten Greuel die Hand ans Zaumzeug zu legen und mit einem 'Hoppla jetzt komm ich' sein Scheffelchen einzufahren.

    Ganze soziale Systeme bedienen sich ähnlicher Praktiken, um ihr moralisches und intellektuelles Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Sie entwerfen Scheinwelten, psychologische Meisterwerke, mit denen sie die Individuen wie in einem Netz auffangen und mit denen sie sich zugleich selbst stabilisieren."

Das Verstehen der absolut kleinsten und größten Strukturen hat wenig praktische Bedeutung, jedoch erhebliche Konsequenzen für unser Generalverständnis der Welt, weil wir nicht sicher sein können, ob ihr Charakter auf der nächsten Stufe von Kleinheit/Größe sich völlig verändert (weil die Art und Weise, wie kleine Formen größere bestimmen, nicht eindeutig ist). Es ist denkbar, sogar wahrscheinlich, dass die kleinsten Bauteile der Materie sich von Elektronen und Quarks wesentlich unterscheiden.


14.

Ein 'kleinster Baustein' muss bestimmte allgemeine Bedingungen erfüllen. Er muss zum Beispiel unteilbar sein (einfach als Folge der Definition seines Begriffs).

    Wir stocken bereits bei der erkenntnistheoretischen Frage, ob die kleinsten Teilchen im reinen Sinn punktförmig sein können (dem entspricht bei großen Abständen das Problem, ob es im reinen Sinn ein Unendlich geben kann. Denn Punktförmigkeit und Unendlichkeit sind mathematische Grenzwerte und der Natur an sich fremd.

    Wenn sie hingegen eine Ausdehnung haben, sind sie nicht im reinen Sinn fundamental (weil man fragen kann: was ist darin? Z.B. eine tiefe, ursprüngliche Substanz?)


15. Was ist fundamental?

Die heutige Welt ist so angefüllt mit menschlichen Taten und Ideen, dass das reine Kopieren derselben für einen scheinbar dynamischen Fortschritt und Wohlstand völlig ausreicht. Das gilt auch für die Wissenschaft.

Von einer höheren Warte sind die sog 'fundamentalen' Kopplungen gar keine fundamentalen Parameter. Damit verlieren die Erkenntnisse der Chemie und schon gar Biologie an Gewicht, sind höchstens im humanozentrischen Weltbild von Bedeutung. Was besagt es denn schon, dass und inwieweit sich die Gene des Lebens auf der Erde allesamt ziemlich gleichen? Doch nur, dass sich auf diesem einen Planten im wesentlichen ein einziger Bauplan durchgesetzt hat. So what? Der Kosmos ist groß und hat Platz für viele Wahrheiten.

    Die fundamentalen Größen unseres Universums sind die Lichtgeschwindigkeit c=3.00*10**8 m/s, die Plancksche hquer=1.054*10**(-34)*kg*m**2/s und die Newtonsche Konstante N=6.67*10**(-11)*m**3/kg/s**2. Mit Hilfe dieser drei Größen lassen sich offenbar unsere Einheiten für Zeit, Länge und Masse (=c**2*Energie) festlegen.

    ... zum Beispiel der Plancksche Abstand R_P=hquer/c/M_P=1.61*10**35 meter (mit M_P**2=hquer*c/N=2.18*10**8 kg) als fundamentale Längeneinheit. Die durch E=hquer*c/R gegebene Beziehung zwischen Energie E und Abstand R ist bei sehr kleinen und/oder sehr großen Abständen gestört, also E=hquer*c/R/n(R) mit einer Dispersion n!=1, über die wir bis heute nichts wissen. Eine Möglichkeit für kleine Abstände ist n(R)=exp(0.5*R_P**2/R**2). Damit entfällt R_P als untere Grenze mikroskopischer Abstände, die 'kleinsten Bausteine' könnten sich beliebig nahe kommen.


    Neben c, hquer und N gibt es die Kopplungskonstanten der Teilchenphysik, die Boltzmannsche und die kosmologische Konstante und die mittlere kosmische Dichte und Ausdehnung. All diese Größen sind zweifellos abgeleitet, bloße phänomenologische Konsequenz viel fundamentalerer Zusammenhänge. ... und sind auch keine Konstanten, sondern zeitlich oder sonstwie variabel, verlieren besonders zum Rand des Universums an Bedeutung. Den Observablen (Länge, Zeit, Stromstärke etc) dürfte es ähnlich ergehen, auch sie wandelbar und zusammengesetzt.


16. Eine beliebte Spekulation über die Welt im Kleinen

Die Welt ist im Kleinsten ein Gitter; aber nicht in einer trivialen Weise, dass Gitterachsen als räumliche Richtungen ausgezeichnet wären, sondern so, dass aufgrund der extrem kleinen Gitterabstände unsere Wahrnehmungsrealität zu einem drehsymmetrischen Kontinuum ausgeschmiert ist. Auf den Gitterpunkten sitzen die punktförmigen (oder nicht ganz punktförmigen) kleinsten Bausteine der Materie und fügen sich in einer noch zu spezifizierenden Weise zu den bekannten Teilchen (Elektronen usw) zusammen.

    Es wären dann alle Längen und Zeiten Vielfache der Gitterlängen, und alle Ladungen Vielfache der Elementarladungen dieser kleinsten Teilchen.
    Frage: Warum sind die beobachteten Massen nicht Vielfache einer elementaren Masse (d.h. der Punktmassen an den Gitterpunkten)?
    Antwort: Massen werden durch Bindungsenergien festgelegt.


FUSSNOTEN:

Das inflationäre Universum:
"Shortly after the bigbang there was an 'inflationary' episode driven by a new hidden field related to the Higgs Field or a second cousin to it. This field, like a coiled spring, was released very suddenly in a stupendous explosion of energy when the gravitational field of the universe 'fluctuated' to a critical state where some type of phase change occurred in the underlying physics."
Das inflationäre Modell löst mehrere Konsistenzprobleme der Urknalltheorie:
a) Das Feintuning von Anfangsparametern ist nicht erforderlich.
b) Durch die Inflation wird die extreme Gravitationskraft kompensiert, die im Moment des Bigbang herrscht.
Jedoch wissen wir nicht sehr viel über die Details des inflationären Prozesses. Alles, was wir wissen, ist, das Universum hat sich seit ungefähr 10**(-34) s nach dem Urknall stetig ausgedehnt. Wir haben aber keine Mittel oder Daten, um herauszufinden, was davor geschah.


Neutrinos wechselwirken weder stark noch elektromagnetisch. Sie sind ein beinahe-Beispiel für Parallele Materie, da sie so schwach mit der normalen Materie wechselwirken (obwohl uns beständig Millionen von ihnen durchdringen), dass sie bis etwa 1950 für die Wissenschaft nicht nachweisbar waren.


Zeit und Länge sind via R=c*T verknüpft. Auf diese Weise entspricht der räumliche Gitterabstand einem zeitlichen.
Frage: Wie ist ein zeitliches Gitter zu verstehen?
Antwort: Gitterabstand als Dauer eines Elementarprozesses; lässt sich auch als kleinstes Quant für die Entropieerhöhung des Universums durch diesen Elementarprozess deuten.


Was geschah 'vor' dem Bigbang?
Der konservative Standpunkt strapaziert die Effekte der Quantentheorie (ich meine, er überdehnt sie) und behauptet:
a) Sehr nah am Urknall verliert der Begriff der Zeit seinen Sinn (Aufgabe des Kausalitätsprinzips).
b) Materie kann aus dem Nichts erzeugt werden (durch Paarerzeugung; Aufgabe des Energieerhaltungsprinzips),
um zu folgern, dass man sich mit besagter Frage nicht weiter beschäftigen muss.


Sherlock Holmes und Dr Watson sind zum Zelten in die Berge gefahren. Sie erleben dort einen prächtigen Sonnenuntergang, und das anschließende Erscheinen der Sterne am Firmament regt sie zu ihren Disputen an. Später legen sie sich zum Schlafen ins Zelt. Mitten in der Nacht wird Watson von Holmes unsanft geweckt.
"Was ist los, Holmes?"
"Schau nach oben, Watson, was siehst du da?"
"Ich sehe Millionen Sterne am nachtschwarzen Himmel."
"Und was schließt du daraus?"
"Wir sind kleine, unbedeutende Geschöpfe in einem gigantischen Universum, die ..."
"Watson, du Schaf, jemand hat uns das Zelt geklaut."


© Copyright: B. Lampe, 2002

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